Being truthful, not neutral!
Gegen den Terror
der „Politischen Correctness“
und die stillschweigende Anpassung
an Mehrheitsmeinungen
Auch Alumni und Praktiker
in den von Bibliotheken
organisierten Dialog einbeziehen
Von Elisabeth Simon
Das Thema „Zukunft der Bibliotheken“ ist zu Recht zu einem Dauerbrenner in unseren Erörterungen geworden. Hier können wir viel darüber, was wir tun sollten, von den Angelsachsen, insbesondere von den Amerikanern, lernen. Insbesondere glaube ich, dass R. David Lankes, der Direktor des Department of Library and Information Science an der University of South Carolina, die Bibliotheksdiskussion in den deutschsprachigen Ländern bereichern kann. Dies gilt ganz besonders für sein Buch „Expect more“, das in Kürze in meinem Verlag herauskommen wird. Die Übersetzungen aus dem Amerikanischen wurden von Erda Lapp, der Direktorin der Universitätsbibliothek der Ruhr-Universität Bochum, und Willi Bredemeier von Open Password, vorgenommen. Eine ausführliche Rezension wird bald in Open Password erscheinen.
Eine Bereicherung verspricht Lankes Buch nicht nur wegen seiner Grundthesen zu werden, die aus meiner Sicht ebenso einfach wie richtig sind: Die Bibliotheken sollten in ihrer Politik den Wünschen ihrer Nutzer folgen. Die Bibliotheken versprechen, desto besser zu werden, je höher die Anforderungen ihrer Nutzer sind. Vielmehr kommen eine Vielzahl empirischer Beispiele gelungener Bibliotheksmodernisierung hinzu sowie Lankes Enthusiasmus für die Belange von Bibliotheken und sein begründeter Optimismus, was den Bibliotheken alles möglich wäre, wenn sie nur handelten.
In einem aktuellen Blogbeitrag („Being truthful, not neutral“) erläutert Lankes, dass die Anpassung der Bibliotheken (und darüber hinaus der Forschung und Lehre sowie der Medien) an die Präferenzen der Nutzer oder besonders engagierter Nutzergruppen auch ihre Grenzen haben muss. Damit verbunden wendet sich Lankes gegen den an manchen US-Hochschulen grassierenden Terror der „Political Correctness“ (der zum Beispiel zur Aussonderung literarischer Klassiker aus den Lehrplänen führt, weil sie die Angehörigen von Minderheiten verletzen könnten). Auch bei uns ist dieser Terror nicht unbekannt, wenngleich man hier eher die stillschweigende Anpassung an Mehrheitsmeinungen in vorauseilendem Gehorsam thematisieren sollte.
Nach Lankes ist eine gute Universität wie eine gute Bibliothek, nämlich ein sicherer Platz, um sich mit gefährlichen Ideen auseinander zu setzen. In den Instituten und Seminaren sollten Lehrer und Studierende permanent lernen, die Mitte zwischen gründlicher wissenschaftlicher Arbeit und dem Fanfarenruf nach Aktionen zu finden.
We feel offended, ursprünglich als Instrument des Minderheitenschutzes gedacht, wird immer mehr zu einem politischen Kampfbegriff, dem nur mit einer ehrlichen, an wissenschaftlichen Kriterien orientierten Behandlung des Themas begegnen kann. Hier trifft sich der Rektor der Universität Duisburg-Essen, Ulrich Radtke, mit David Lankes, wenn er in Forschung und Lehre (Juni 2016) verlangt, dass die Hochschule ein Ort offener Diskussion bleiben muss. Lankes geht weiter, in dem er Hochschulen, Bibliothekaren und Journalisten die Aufgabe zuweist, auf der Basis der besseren Information die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie nicht politisch korrekt ist. Insoweit ist er nicht neutral, sondern der Wahrheit verpflichtet. Gute Bibliothekare, gute Lehrer und Forscher, gute Journalisten und gute Informationsspezialisten sind nie neutral, sie haben vielmehr ihre Prinzipien. Um diese zu erkennen und ihnen zu folgen, müssen sie gut ausgebildet sein.
Bibliotheken können und sollten zu einer Plattform für einen der Wahrheit verpflichteten offenen Dialog ausgebaut werden. In diesen Dialog sollten nicht nur die Lehrer, Forscher und Studierenden, sondern auch die Alumni und Praktiker einbezogen werden.